Als ich vor einigen Tagen die Fotos des vergangenen Jahres in unser Familien-Album einsortiert habe, ist mir ein Bild unserer Halloween-Party in die Finger gefallen. Meine Tochter hatte als Deko einen „kotzenden“ Kürbis geschnitzt – sehr zur Freude unserer Gäste.

Doch nicht alle können dieses Bild als lustig empfinden. In meiner Praxis habe ich regelmäßig Patienten, die unter einer sogenannten Emetophobie leiden, also der Angst vor dem Erbrechen. Da jedoch die wenigsten wissen, wie schnell es mit unserem Therapie-Ansatz gelingen kann, Betroffene von dieser Angststörung zu befreien, habe ich mich entschlossen, heute mal einen Blogartikel zum Thema Emetophobie zu schreiben.

Emetophobie – Was hilft bei „Angst vor dem Erbrechen“?

Wer unter Emetophobie leidet, hat ständig Angst davor, er könne sich übergeben. Auch der Gedanke, anderen dabei zusehen zu müssen oder durch Gespräche, Filme oder Bilder mit dem Thema „Erbrechen“ konfrontiert zu werden, löst bei den Betroffenen ein starkes Unwohlsein aus.

Die Angst vor dem Erbrechen ist dabei oft so stark, dass ganz ähnliche körperliche Symptome auftreten wie bei einer Panikstörung oder einer Agoraphobie:

  • Schwindel,
  • Übelkeit,
  • Herzrasen,
  • Atem- oder Schluckbeschwerden,
  • Beklemmungsgefühle,
  • Kribbeln an verschiedenen Stellen des Körpers,
  • Schweißausbrüche.

Als Panik-Auslöser genügen oft schon ganz gewöhnliche Körperregungen, die jeder kennt: Verdauungsgeräusche, ein Hungergefühl, ja selbst ein kurzes Husten kann ausreichen, um die Kettenreaktion der Angst bei einem Emetophobiker in Gang zu setzen.

Wer unter Emetophobie leidet, meidet vieles, was Spaß macht

Überall dort, wo gefeiert und im Zweifel auch Alkohol getrunken wird, vermuten die Betroffenen, „Zeuge der Erbrechens“ zu werden. Deswegen meiden Sie Betriebsfeiern, Partys, Konzerte, Discobesuche und Jahrmärkte so gut es geht. Aus demselben Grund werden auch Schiffs- und Flugreisen nicht mehr als attraktiv empfunden.

Alles, was Spaß macht und das Leben bereichert, wie z.B. der Urlaub im Ausland, wird vom Emetophobiker als potentielle Gefahr eingestuft und deswegen abgelehnt. Das sorgt im sozialen Miteinander bei Partnern und Familienangehörigen nicht selten für Ärger, weil sich die Freizeitplanung immer an den Ängsten der Betroffenen ausrichten muss.

Das Wissen, dass Emetophobie nicht „normal“ ist, hilft nicht

Wer unter der Angst vor dem Erbrechen leidet, weiß in aller Regel, dass diese Angst unangemessen ist. Trotzdem sind die Betroffenen davon überzeugt, diese Ängste nicht überwinden zu können. Ständig warten sie förmlich darauf, wieder mit irgendetwas konfrontiert zu werden, das Übelkeit auslösen könnte.

Genau dieser falsch trainierte Fokus ist der Hauptauslöser der Phobie. Denn unser Gehirn – da ist sich die Gehirnforschung heute sicher – vernetzt jeden einzelnen Gedanken in Form von synaptischen Verbindungen. So entsteht im Laufe der Zeit eine regelrechte Datenautobahn im Gehirn der Betroffenen, die vor allem eines gut kann, nämlich unbegründete „Angst vor dem Erbrechen“ erzeugen.

Emetophobie lässt sich im Gehirn „umprogrammieren“

Genau hier setzt die Therapie an, die ich zusammen mit meiner Frau im Laufe der letzten 7 Jahre entwickelt habe und die ich in meinem Buch „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden!“ ausführlich beschreibe. Zuerst stellen wir anhand einfacher Tests fest, auf welchem Sinneskanal die Betroffenen all ihre Ängste, und somit auch die Angst vor dem Erbrechen, selbst auslösen.

Den richtigen Kanal identifizieren

Bei vielen ist es in erster Linie der visuelle Kanal, das heißt also, sie entwerfen vor ihrem inneren Auge eine Szene, in der sich jemand übergibt oder zumindest bereits würgt. Oft tauchen diese inneren Bilder nur ganz kurz auf (eine Sekunde oder weniger). Dennoch reichen sie dem Gehirn, um die Kettenreaktion der Emetophobie in Gang zu setzen.

Bei anderen spielt auch der auditive Kanal eine große Rolle. Hier wird schon das kleinste Magengrummeln in Gedanken soweit verstärkt, dass es mit Würgegeräuschen oder Brechgeräuschen in Verbindung gebracht wird.

Das Gehirn regt daraufhin die Ausschüttung des Neurotransmitter Histamin an, welcher binnen Sekunden dafür sorgt, dass der Magen des Emetophobikers sich tatsächlich verkrampft und das Gefühl von Übelkeit entsteht. Ein falscher Gedanke kann also schon genügen, um echte körperliche Symptome zu erzeugen.

Mentaltraining zur Neuprogrammierung des Gehirns

Mit Hilfe einfacher Übungen, die im Buch gut beschrieben sind, gibt es nun die Möglichkeit, dem Gehirn binnen weniger Wochen ein neues, gesünderes Verhalten anzutrainieren. Dazu benötigen Sie übrigens wesentlich weniger Zeit, als Sie vielleicht vermuten. Bereits 20 Min. tägliches Mentaltraining reichten bislang, um bei gut 70% meiner Patienten die Emetophobie in 6 bis 12 Wochen weitgehend zu überwinden. Weitere 20% überwanden ihre Angst vor dem Erbrechen dann binnen der folgenden 3 Monate.

Je nachdem, wie lange diese Angsterkrankung schon besteht, braucht das Gehirn einfach seine Zeit, um genügend gegenläufige Informationen neuronal so zu verankern, dass der Automatismus des „falschen“ Denkens vollständig abgeschaltet und die Emetophobie dadurch gestoppt wird. Doch die Mühe lohnt sich! Wer dran bleibt, kann schon bald wieder ein Leben führen, in dem ausgelassenes Feiern und schöne Urlaube so normal sind, als hätte es die Angst vor dem Erbrechen nie gegeben.